15.08.2012

Gebäude wirtschaftlich planen

Kalkulierbare, niedrige Lebenszykluskosten geben dem Bauherrn Kostensicherheit

Lebenszyklusorientiertes Planen und Bauen bedeutet eine Herausforderung für einen Generalplaner. Das Gebäude ist nicht nur in einer Planungs- und Entstehungsphase, sondern auf den gesamten Lebenszyklus zu beziehen – von der ersten Idee bis zum Abriss oder einer Umnutzung.

Bei unseren Bauherren und auch bei der öffentlichen Hand findet ein Umdenkprozess statt: Nicht nur günstige Baukosten sind wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Baumaßnahme, sondern auch die Folgekosten der nächsten Jahre rücken zunehmend in den Fokus. Steigende Energiepreise, Kosten für Dienstleistungen sowie Finanzierungskosten stehen dabei zur Diskussion. Zudem trägt die aktuelle Entwicklung auf dem Markt der Zertifizierungssysteme dazu bei, das Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit zu stärken.

Die Lebenszykluskosten spiegeln die ökonomische Komponente des Nachhaltigkeitsgedankens wider und umfassen alle Kosten, die im Laufe der Planung, der Herstellung und der Umnutzung bzw. dem Abbruch eines Gebäudes anfallen. Sie gliedern sich in Investitionskosten nach DIN 276, Nutzungskosten nach DIN 18960 und Kosten für Rückbau und Entsorgung.

Während die Investitionskosten nach DIN 276 heutzutage aufgrund vielfältiger Erfahrungswerte und Literatur (wie zum Beispiel der BKI Objektdaten-Bücher) gut im Vorfeld berechnet werden können, ist die Ermittlung der Nutzungskosten eine andere Herausforderung. Auch wenn mittlerweile einige Kostenkennzahlen publiziert worden sind, unterliegen die Nutzungskosten unterschiedlichsten Einflüssen. Zu ihnen gehören neben der Gebäudenutzungsart zum Beispiel das Nutzerverhalten sowie funktionale und technische Eigenschaften. Zudem kann sich jeder dieser Einflussfaktoren im Betrachtungszeitraum ändern. Somit kann die prognostizierte Entwicklung mitunter erheblichen Abweichungen unterliegen.

Baunutzungskosten übersteigen Baukosten schnell

Dabei sind die Baukosten oder Investitionskosten oft nur die Spitze des Eisberges. Die Baunutzungskosten (also Verwaltungs-, Finanzierungs-, Instandhaltungs- und Betriebskosten),

die in der Bauphase während des Immobilienbetriebs auftreten, machen in der Regel 70 bis 90 Prozent der Gesamtkosten einer Immobilie aus. Beispiel Krankenhausbau: Hier überschreiten die Gebäudenutzungskosten oftmals bereits nach vier Jahren die Erstellkosten.

Folgende Parameter müssen bei der Berechnung von Lebenszykluskosten beachtet, kommuniziert und im Vorfeld festgelegt werden:

Der Zeitwert des Geldes muss finanztechnisch geklärt werden. Wird nach der Barwertmethode der Diskontierungszins berücksichtigt, wie fließt die Inflationsrate mit ein? Oder findet eine statische Betrachtung des Geldes statt? Zudem ist es von großer Bedeutung, welcher Zeitraum betrachtet wird. Berücksichtigt man etwa, dass viele Materialien nach 30 Jahren ihre Lebensdauer überschreiten, ist es sehr relevant, ob etwaige Sanierungskosten in den Zeitraum mit einfließen oder bei einer kürzeren Nutzungsdauer vernachlässigt werden können.

Des Weiteren muss deutlich werden, welche Kosten berücksichtigt werden und wie mit Unsicherheiten umgegangen wird. Wir wissen zwar nicht, was die Zukunft bringt, trotzdem müssen wir Inflationsraten, Energiepreissteigerungen, Finanzierungskosten und eventuelle Marktentwicklungen möglichst realistisch abschätzen, mit einbeziehen und eventuell im Laufe der Jahre anpassen.

Diese Parameter sind im Vorfeld gegenüber allen Beteiligten zu kommunizieren und gemeinsam festzulegen, um möglichst realistische Prognosen zu erhalten. Insbesondere bei Vergleichen unterschiedlicher Bau- und Investitionsszenarien wie etwa für die Grundschule in Bad Bentheim (vgl. Artikel von Remus Grolle-Hüging, Seite 100ff) ist ansonsten die Vergleichbarkeit nicht gegeben.

Vorsicht mit Benchmarks

Im Umkehrschluss ist Vorsicht bei Kostenkennzahlen und Benchmarks geboten: Bei diesen gilt es sorgfältig zu recherchieren, welche Parameter ihnen zugrunde liegen, um Ungenauigkeiten zu vermeiden. Eigene, dokumentierte Erfahrungswerte aus dem Gebäudebetrieb und verlässlich berechnete Verbrauchswerte, deren Parameter bekannt sind, bilden eine solide Basis für die Berechnungsverfahren. Zudem wird es immer notwendig sein, zusätzlich viele einzelne Zahlen im Hintergrund zu belegen. Besonders die Abhängigkeit vom Nutzerverhalten bietet viel Potenzial für Ungenauigkeiten. Arbeitszeiten, Nutzerzahlen, Reinigungszyklen, Lüftungs- und Heizverhalten sind hier nur einige relevante Punkte, auf die geachtet werden muss.

Am Beginn die Weichen stellen

Zu Beginn jeder Planung stehen die Chancen am besten, die Lebenszykluskosten positiv zu beeinflussen, weil gerade zu diesem Zeitpunkt Kosten- und Qualitätsentscheidungen getroffen werden, die sich auf den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes auswirken. Denn die Höhe der lebenslangen Baunutzungskosten ist keine träge Größe – je nach Planungsentscheidung und deren Zeitpunkt ist sie im Gegenteil hochsensibel beeinflussbar. In der Planungsphase werden die wichtigsten, für Jahrzehnte nachwirkenden Entscheidungen getroffen.

Ob die Wahl des Standortes, die Kubatur des Gebäudes, das Flächenmanagement, die Flexibilität oder die Reinigungsfreundlichkeit und Lebensdauer des Fußbodens – jede Entscheidung zieht Kosten nach sich, die es im Vorfeld zu beachten gilt. Doch beginnen die klassischen Leistungsphasen für den Planer gemäß der HOAI erst mit der Leistungsphase 1 – der Grundlagenermittlung. Jedoch werden viele grundsätzliche Entscheidungen, die maßgeblich den gesamten Projektablauf beeinflussen, schon vorher getroffen. Trotz der Wichtigkeit dieser frühen Phase erfährt der Bauherr bei seinen Überlegungen in der Startphase selten Hilfestellung. Hier setzt das von uns praktizierte, interdisziplinäre, generalplanerische Denken an. Anhand der lebenszyklusorientierten Bearbeitung aller wesentlichen Architekten- und Ingenieurleistungen durch eigene, spezialisierte Mitarbeiter ist die Generalplanung besonders geeignet, die Weichen für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Immobilie zu stellen. Eine systematische und interdisziplinäre Planung vom ersten Tag an ermöglicht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise über die gesamte Lebensdauer des Projektes. Klare Zieldefinitionen werden festgelegt, um den Projekterfolg zu sichern. Verschiedene Varianten können auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden, Machbarkeitsstudien bieten Orientierung, so dass jegliche Entscheidung materieller oder technischer Art nicht nur aus ästhetischer Sicht, sondern auch ökonomisch fundiert getroffen werden kann. Dabei profitiert der Bauherr von der Wertsteigerung und Nachhaltigkeit seiner Immobilie.

Beeinflussbarkeit der Kosten und Einsparpotenziale in der Zeitebene zwischen Planung und Nutzungsende eines Gebäudes2

1Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Dr. Andreas Meister: Anforderungen der Gebäudenutzung an die Planung, 2004.
2Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Dr. Andreas Meister: Anforderungen der Gebäudenutzung an die Planung, 2004.

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