15.08.2012

Mehrwert „Green Building“

Energetische Optimierung durch vernetztes Planen beim Neubau des Geowissenschaftlichen Instituts in Münster

Der Bauherr benannte für das neue Institutsgebäude hohe energetische Standards und forderte eine optimale Umsetzung des Raumprogramms. Der Entwurf unserer Muttergesellschaft agn konnte diese Erwartung durch ein interdisziplinär erarbeitetes, integrales Architektur- und Energiekonzept erfüllen.

Schon in der Wettbewerbsausschreibung für das Institutsgebäude der Geowissenschaften legte der Bauherr, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes NRW (BLB), besonderen Wert auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Das Gebäude war von Beginn an als technologisches Leuchtturmprojekt vorgesehen, einschließlich einer späteren Nachhaltigkeitszertifizierung.

Als Synonym dafür steht in der konkreten Projektumsetzung der Begriff „Green Building“: Der bewusste Umgang mit natürlichen Ressourcen und „… der Einsatz umweltfreundlicher und gesundheitlich unbedenklicher Materialien von der Herstellung über die Verwertung bis hin zum Recycling …“1 machte eine frühzeitige Lebenszyklusbetrachtung sinnvoll und notwendig.

Ökobilanzierung der Baustoffe

Daher erarbeitete unser Generalplanerteam bereits im Wettbewerb für den Bereich Facility Management in Zusammenarbeit mit Prof. Uwe Rotermund vom Lehrstuhl für Immobilien-Lebenszyklus-Management an der FH Münster (msa | münster school of architecture) eine Nachhaltigkeitsstrategie. In der weiteren Entwurfsplanung unterstützte eine weitergehende Ökobilanzierung die Auswahl der Baustoffe nach dem Nachhaltigkeitsgrundsatz.

Der Bauherr BLB forderte im Rahmen der Zielvorgabe „Green Building“ unter anderem einen hohen Gebrauchswert mit einer optimalen Umsetzung des Raumprogramms und kommunikationsfördernden Funktionsbereichen. Der erstplatzierte agn-Entwurf entsprach diesem Ziel mit einem integralen Architektur- und Energiekonzept. Ein schon im Wettbewerb vorgestelltes, modulares Technikkonzept zielte darauf, den Handlungsspielraum für die nachfolgende Wirtschaftlichkeitsvorbetrachtung und die anschließende Entwurfsplanung mit Kostenberechnung so groß wie möglich zu halten. Zur Erzeugung regenerativer Energien schlugen wir daher neben einem PCM-Erdluftregister den kombinierten Einsatz von Geothermie vor. Sie sichert durch eine Betonkernaktivierung die Grundlastversorgung zum Heizen und Kühlen der Räume. Oberhalb der beiden innen liegenden Atrien sah der Wettbewerbsentwurf jeweils ein Lichtrad vor: Eine drehbare, mit einer Photovoltaik-Anlage versehene Konstruktion, die der Sonne nachgeführt werden kann. Während sie Sonnenlicht absorbiert, in Energie verwandelt und zugleich durch Verschattungslamellen den negativen Wärmeeintrag reduziert bzw. verhindert, kommt zugleich das Prinzip der Reflektion zur Anwendung, indem die Lamellen die Frühling- und Herbstsonne mit ihrem geringeren Wärmeeintrag ablenken.

Pilotprojekt „Nachhaltige Bildungsbauten“

Im Zuge der weiteren Planung sollte das Gebäude DGNB-zertifiziert werden. Zunächst nach den Kriteriensteckbriefen für Büro- und Verwaltungsbauten wurde nach Einführung eines eigenständigen Nutzungsprofils für Bildungsbauten das Projekt „GEO I“ von der DGNB als eines der ersten Hochschulgebäude für die Pilotphase „Bildungsbauten“ ausgewählt. Die Finanzierung erfolgte maßgeblich über das Hochschulmodernisierungsprogramm (HMoP) des Landes NRW. In Abstimmung mit den Verantwortlichen des BLB sowie den Vertretern der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster verständigten wir uns zudem auf ein ganzheitliches Konzept, das mit einem hohen Gebrauchswert und einer ansprechenden und modernen Gestaltung die Schwerpunkte Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein wirtschaftlich umsetzt.

Auf dieser Basis wurden in der Vorplanung umfangreiche Konzepte erstellt und Variantenvergleiche durchgeführt, um für Bauherren und Nutzer ein unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten optimiertes Gebäude zu erstellen. Hierzu gehörten nicht nur Energie- und Wasserkonzepte, sondern auch Rückbau- und Recyclingkonzepte sowie Messkonzepte, mit dem Ziel die Komplexität des nachhaltigen Bauens zu sichern. Da bei dem ganzheitlichen Ansatz einer Zertifizierung immer die Auswirkungen aller Parameter berücksichtigt werden müssen, um ihre jeweiligen Wechselwirkungen zu erfassen, führten wir neben architektonischen Planungsvarianten, diversen bauphysikalischen Simulationen und verschiedenen Berechnungen nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) auch Ökobilanzvergleiche und Lebenszyklusanalysen durch.

Im weiteren Planungsprozess passten wir das energetische Gebäudekonzept an die örtlichen Verfügbarkeiten von Fernwärme an. Der 2008/09 geplante energetische Standard unterschreitet die EnEV 2009 um etwa 25 Prozent. Das Gebäude erfüllte somit den „Green Building“- Standard (2009)2 der Deutschen Energieagentur dena und erhielt – als eine der ersten Universitäten überhaupt – im Oktober 2010 das Vorzertifikat in Silber der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).

Darstellung des Energiekonzepts aus dem Wettbewerb für das geowissenschaftliche Institut

Energetisches Maßnahmenpaket

Zum energetischen Maßnahmenportfolio des Gebäudes gehören:

  • Fernwärme mit einem hervorragenden Primärenergiefaktor aus einem universitätseigenen Heizkraftwerk mit Kraftwärmekopplung als Grundversorgung
  • eine Betonkernaktivierung zum Heizen und Kühlen der Grundlast
  • die Sicherstellung eines hygienischen Luftwechsels in Sonderbereichen
  • eine besonders effiziente Wärmedämmung im Bereich der Vorhangfassade

Präsenzmelder steuern Beleuchtung, Heizung und Belüftung, eine Regenwassernutzungsanlage versorgt die Spülanlagen der Toiletten und senkt dadurch den Trinkwasserverbrauch.

Unterstützend wirken ferner eine Photovoltaikanlage zur Eigenstromerzeugung und eine ergänzende Solarthermieanlage auf dem Dach zur Bereitstellung von Warmwasser. Besonderes Augenmerk in der fahrradfreundlichen Stadt Münster lag auf dem Angebot einer großen Zahl leicht erreichbarer, überdachter Fahrradstellplätze und Umkleidemöglichkeiten für Fahrradfahrende.

Nach seiner Fertigstellung 2013 beziehen den Neubau an der Ecke Mendelstraße/Corrensstraße verschiedene Institute des Fachbereichs Geowissenschaften: die Didaktik der Geographie, Geographie, Geoinformatik, Landschaftsökologie und die Forschungsstelle für Paläobotanik.

Das Besondere an diesem Generalplanerprojekt war die frühzeitige Einbindung aller entscheidenden Fachplaner in einem Team GEO: Nur durch ihre enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit konnten wir dem Anspruch eines technologischen Leuchtturmprojekts und seinen deutlich oberhalb der gesetzlichen Vorgaben liegenden Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht werden. Architekten, Bauingenieure, Versorgungs- und Elektroingenieure, Landschafts- und Innenarchitekten aus der agn-Generalplanungsmannschaft waren gemeinsam am Werk. Fachspezifische Unterstützung zur Lebenszyklusbetrachtung kam aus dem Facility Management. Die interne Koordination der planerischen Zuarbeit zur DGNB-Zertifizierung ergänzte das Projekt ganzheitlich.

Auch mit Blick auf seinen wesentlichen Beitrag für das Projekt unterstützt agn den Lehrstuhl für Immobilien-Lebenszyklus-Management an der msa | münster school of architecture als Stifter. Zudem verfügt das agn-Team inzwischen über einen eigenen DGNB-Auditor.

1Zitat aus dem Auslobungstext des BLB 08/2008, Seite 15
2Heute wird dieses Programm von der EU verantwortet.

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